Freitag, 26. April 2013

Laufstil - welcher ist der richtige? Barfuß, Vorfuß oder Ferse?

Hallo liebe Leser,
hier nun für euch heute das wichtigste und die aktuellsten Erkenntnisse über das Laufen. 
Viel Spaß beim Lesen.


"Seit etwa fünf Millionen Jahren laufen der Mensch und seine Vorfahren auf zwei Beinen. Barfuß – bis zur Erfindung der Schuhe vor etwa 40000 Jahren. Da liegt es auf der Hand, dass Laufexperten den Trend zum Barfußlaufen propagieren. Denn was viele Jahrmillionen funktioniert hat, kann ja nicht prinzipiell schlecht sein. So raten immer mehr Laufgurus zum „Natural Running“, entweder barfuß oder – als Tribut an harte Asphaltböden – in Minimalschuhwerk („Barfußschuhen“)."

Beim Laufen gibt es unterschiedliche Bewegungsausführungen:

  • Barfußlaufen
  • Laufen mit Schuhen mit starker Dämpfung
  • Laufen mit Minimalschuhen

Beim Laufen barfuß oder mit Minimalschuhen setzen die meisten Läufer bei der Landung den Fuß im Bereich der Zehenballen auf. Ein geringerer Prozentsatz berührt im Mittelfußbereich als Erstes den Boden, und die allerwenigsten setzen mit der Ferse zuerst auf. Biomechanisch betrachtet, ist es durchaus sinnvoll, mit dem Zehenballen, dem Vorfuß, aufzusetzen. Dadurch wird die Stoßkraft beim Aufsetzen am besten abgefedert, denn die Wadenmuskulatur, die über die Achillessehne am Fersenbein ansetzt, verhindert, dass der Rückfuß beim Aufsetzen auf dem Boden aufschlägt.

Das Laufen mit Schuhen folgt hingegen einem ganz anderen Bewegungsablauf. Im Fersenbereich sind meist dicke Dämpfungsschichten integriert, sodass die Ferse höher steht als die Zehen. Diese sogenannte Sprengung führt unter anderem dazu, dass die Läufer nicht auf dem Vorfuß, sondern zuerst im Fersenbereich auf dem Boden aufsetzen. Die Form und Gestaltung des Laufschuhes führt also dazu, dass wir fast automatisch zu einem Fersenlaufstil „umschalten“. Hier sehen viele Mediziner eine Ursache für typische Läuferbeschwerden.

Es gibt Wissenschaftler, die das abrüsten des Laufschuhs befürworten, da durch die sehr starke Dämpfung in einigen Schuhen Beschwerden (Schienbeinkanten-Syndrom) hervorgerufen werden da viele Läufer im Sprunggelenk nach innen abknicken (Pronation).

Die Stoßbelastungen beim Barfußlaufen wurden von Wissenschaftlern untersucht. Die Forscher stellten Überraschendes fest: Vorfußläufer ohne Schuhe erzeugten geringere Aufprallkräfte bei der Landung als Rückfußläufer mit Laufschuhen. Dies führen die Experten auf den beim Vorfußlauf elastisch federnden Fuß zurück. Dabei müssen Wadenmuskeln und Achillessehne allerdings Höchstarbeit leisten, während beim Rückfußlauf das ganze Körpergewicht direkt auf das dünne Fettpolster des Fersenbeins prallt.

Hieraus entstanden die sogenannten Minimalschuhe und viele Läufer stellten sowohl Schuhe als auch Ihren Laufstil um. Barfußlaufschuhe erzwingen ein Vorfußlaufen. Herkömmliche Laufschuhe hingegen, deren Fersenbereich dick gedämpft ist und deshalb höher steht als der Zehenbereich, führen fast automatisch zu einem Rückfußlauf: Die Ferse setzt immer zuerst auf.

Gerade Läufer mit Fußfehlstellungen – am häufigsten sind es Knick- oder Senkfüße – haben negative Erfahrungen mit dem „natürlichen“ Vorfußlaufstil gesammelt. Bei ihnen traten oft vermehrt Schmerzen im Mittelfuß, Sprunggelenk und Wadenbereich auf.

"Einer, der wissen muss, wo die Grenzen zwischen medizinisch sinnvollem Bewegungsstil und Marketingmythos liegen, ist Professor Dr. Gert-Peter Brüggemann, Leiter der Biomechanik an der Deutschen Sporthochschule Köln und Mitentwickler des „Nike Free“, eines Barfußschuhes mit vielfach gekerbter, beweglicher Laufsohle. Er sieht die heißen Diskussionen in Läuferkreisen zum richtigen Laufstil differenziert. Das vielfach empfohlene Umsteigen auf den Vorfußlauf nennt er einen „fatalen Trend“. Das reine Vorfußlaufen, bei dem nur noch die Fußballen Kontakt mit dem Boden haben, ist mit hoher Instabilität, hohen muskulären Anforderungen und großen Kräften in Sprung- und Kniegelenken verbunden. „Es ist definitiv davon abzuraten“, betont Brüggemann. „Da hilft auch kein Barfußlaufschuh.“

"Denn um die hohen Aufprallkräfte beim Vorfußlaufen auch über längere Distanzen wie Halbmarathon und Marathon zuverlässig abfedern zu können, sind sehr gut trainierte Wadenmuskeln und eine starke Achillessehne erforderlich – worüber viele Läufer nicht verfügen. Brüggemann und sein Forscherteam empfehlen stattdessen den Vollfußlauf, also das Aufsetzen im Bereich des Mittelfußes. Dadurch liegt der Punkt, wo die Stoßkräfte wirken, unter oder unmittelbar vor dem Sprunggelenk, sodass nur kleine Drehmomente wirken, die von der Muskulatur stabilisiert werden müssen. Brüggemann bezeichnet dies als die „natürlichste Form der Fortbewegung“, die auch mit Barfußschuhen gut zu bewältigen sei. Dafür geeignet sind auch stabilere Laufschuhe, bei denen Fersen- und Zehenbereich auf gleicher Höhe liegen. Dadurch ist ebenfalls das Landen auf dem ganzen Fuß möglich."


Fazit:
Von einem „zwanghaften Umstieg vom Rückfuß- auf den Vorfußlauf“ ist abzuraten. Nur ganz selten ist es notwendig, den gewohnten Laufstil zu wechseln. Es könnte etwa bei einem schmerzhaften Schienbeinkantensyndrom oder bei Kniebeschwerden sinnvoll sein. Und wenn ein Wechsel erfolge, sei immer eine langsame Anpassungsphase wichtig. In dieser Zeit müssen beispielsweise Muskelgruppen im Unterschenkel trainiert werden, die den Fuß stabilisieren können. (Schienbeinmuskeln, Wadenmuskeln, Adduktoren, Strecker und Beuger im Oberschenkel). Hin und wieder mit Barfußschuhen zu trainieren ist sicherlich nicht verkehrt, dann allerdings nur mit ausreichend kräftiger Muskulatur und auf entsprechendem Untergrund. Sportlern mit starken Fußfehlstellungen ist vom Umstieg auf Natural Running abzuraten.

 

Quelle: Saarbrückener Zeitung (Texte in "Anführungszeichen sind zitiert")




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